Die besten Para-Snowboarder*innen und ein Weitsprungrekordhalter: Weltcup-Premiere am Grasgehren

Snowboarden mit Behinderng auf Weltcupniveau: Das zeigen die Para-Sportler*innen am Grasgehren.

Eine Premiere steht bevor. Erstmals in der Geschichte findet ein Para-Snowboard-Weltcup in Deutschland statt. Am 18. und 19. Februar messen sich die Athlet*innen auf dem Snowboardcross-Kurs am Grasgehren im Allgäu. Mit dabei: ein Star der Parasport-Szene. Dabei soll das Rennen auch ein kleiner Weckruf sein. Für Athlet*innen und Fans.

Ivan Osharov will es allen sagen, er will die Menschen wachrütteln und ihnen zurufen: „Hey Leute, das ist eine geile Sportart.“ Er weiß es, weil er sie selbst seit vielen Jahren betreibt: Er ist Para-Snowboarder. Für die Ukraine nahm Osharov zweimal an den Paralympics teil. 2014 in Sotchi, 2018 in Pyeongchang. Mit diesen Großveranstaltungen bekam das Snowboarden für Menschen mit Handicap endlich Aufmerksamkeit – zumindest kurz, zumindest ein wenig. Zu kurz und zu wenig, betont Osharov. Vor allem in Deutschland beachtet kaum jemand diese „mega Geschichte“, nur wenige Zuschauer kommen zu den Weltcup-Rennen. Eine Handvoll vielleicht. „Bei jedem Kinder-Skirennen sind mehr Leute da“, sagt André Stötzer. Er ist Trainer des Deutschen Parasnowboard-Nationalteams, Osharov ist Event-Inklusions-Manager bei Snowboard Germany. Beide teilen eine Hoffnung: Dass der 18. und 19. Februar dem Sport in Deutschland ein wenig Schub verleihen. Dann kommen die weltbesten Para-Boarder zum Snowboardcross-Rennen (Europacup sowie Weltcup jeweils am Samstag und Sonntagab 9:30 Uhr) nach Grasgehren im Allgäu.

Markus Rehm zu seinem ersten Sbx-Rennen: „Ich werde Vollgas geben“

„Darüber freuen wir uns riesig“, sagt Stötzer. Denn dieser Para-Snowboard-Weltcup, veranstaltet von Snowboard Germany, wird der erste sein, der jemals in Deutschland stattfindet. Für einen großen Athleten wird das Heimrennen zur persönlichen Premiere: Markus Rehm, der Weltrekordhalter im Weitsprung, der Star der (Para-)Leichtathletik, fährt erstmals überhaupt einen Wettkampf in der Disziplin Snowboardcross. Er startet im Europacup, der ebenfalls im Rahmen des Weltcupwochenendes am Grasgehren ausgetragen wird. Auf der Leichtathletik liegt zwar weiterhin sein Fokus. Doch seit dieser Saison steht er zusätzlich für das deutsche Team auf dem Snowboard, im Europacup – der zweiten Riege, hat er im Banked Slalom bereits einige Siege gefeiert. „Als Spitzensportler hat er ein großartiges Gefühl und kann vieles schnell umsetzen“, sagt Coach Stötzer. „Innerhalb von sehr kurzer Zeit hat er sich unglaublich verbessert.“

Jetzt ist der 34-Jährige heiß auf den Sbx-Kurs. „Ich werde Vollgas geben. Kopf aus und runter.“ Genauso hält es sein Teamkamerad Christian Schmiedt, ein Pionier des Sports. Seit vielen Jahren fährt er Wettkämpfe, doch dieses Heimrennen ist etwas ganz Besonderes. Freunde und Familie haben ihm geschrieben, dass sie kommen und ihn anfeuern werden. „Das ist gigantisch für mich.“ Eine weitere Premiere: Noch nie haben Freunde, Eltern oder seine Frau, geschweige denn sein zwei Jahre alter Sohn bislang bei einem Weltcup zugeschaut. Zu weit wäre die Anreise immer gewesen. Jetzt ist’s nur eine gute Stunde Fahrt.

Das Para-Team feiert beim letzten Weltcup in Kanada.

Markus Rehm (hinten l.) und Christian Schmied (hinten r.) gemeinsam mit Bundestrainer André Stötzer (vorne Mitte) sowie ihrem Physio Christian und Orthopädietechniker Tobias Werner (r.).

Athlet*innen und Betreuer*innen hoffen auf Stimmung

Wie ihre Trainer*innen und Betreuer*innen hoffen die beiden auf Stimmung. Es wäre ein neues Gefühl. „Das kennen wir ja nicht“, sagt Schmiedt. Vielleicht könnte Rehms Popularität dem Sport helfen. Ihn würde es freuen, weil er eine zweite Passion entdeckt hat. „Die Jungs hier hätten mehr Aufmerksamkeit verdient.“ Stötzer glaubt an den positiven Einfluss durch den Wahl-Kölner. Weil man ihn kennt und er „so angefixt ist“. „Es hat mich echt total gepackt“, bekräftigt Rehm. Damit fungiert er wie ein Botschafter für Osharovs „geilen Sport“.

Para-Snowboard steht unter dem Dach des Deutschen Behindertensportverbands (DBS). Doch eng arbeiten die Verantwortlichen mit  Snowboard Germany zusammen. „Das funktioniert super“, betont Stötzer. „Das bringt uns vorwärts.“ Gemeinsam bemüht man sich um professionelle Strukturen. Erste Schritte sind getan, doch der Weg ist weit. Hauptberuflich arbeitet Stötzer in der Schweiz als Orthopädietechnikermeister, sein Amt des Bundestrainers übt der 37-Jährige nebenbei aus – viele Stunden davon unbezahlt. Schmiedt arbeitet 42 Stunden die Woche als Betriebsprüfer. Irgendwie integriert er das Training in seinen Alltag. In den Rennen konkurriert er mit Para-Snowboardern aus anderen Nationen, die sich zu 100 Prozent auf ihren Sport konzentrieren können.

Beim Weltcup sowie Europacup im Allgäu am Wochenende, die das Bundesinnenministerium des Inneren finanziell unterstützt, wird den Zuschauern vor allem eines geboten: großer Sport. „Das Niveau ist hoch“, betont Stötzer. „Und die Strecke top“, ergänzt Osharov. Auch wenn die deutschen Athleten aufgrund der Strukturen nicht im Spitzenbereich mitfahren, betont Schmiedt: „Im Snowboardcross kann immer alles passieren.“

Snowboarden auch mit Handicap sehr gut möglich

Doch soll der Weltcup – als ein Baustein im Bemühen um mehr Aufmerksamkeit – nicht nur das Interesse bei Zuschauern wecken, sondern auch bei potenziellen Athlet*innen. Stötzer macht sich Sorgen um die Zukunft. Das Nationalteam besteht aus lediglich drei Snowboardern. Zudem fehlt der Nachwuchs.

Osharov hat dabei nicht nur den Leistungssport im Blick. Dem 40-Jährigen geht es um jedes Kind und jeden Jugendlichen mit einem Handicap. „Dieser Sport ist auch eine supergeile Sache als Rehabilitation, als Motivation.“ Für ein glückliches, erfülltes Leben nach einem schwierigen Weg. Osharov weiß das aus eigener Erfahrung. Mit 13 Jahren bekam er die Diagnose Krebs, der Unterschenkel wurde ihm amputiert. Mit 17 begann er das Boarden. Und war infiziert. „Das Boarden ist auch mit Handicap möglich – richtig gut sogar“, betont er. „Und das müssen mehr Menschen sehen, mehr Menschen auf dem Schirm haben.“ Dabei sollen Veranstaltungen wie der Weltcup in Grasgehren und Vorbilder wie Rehm und Schmiedt helfen.

Ivan Osharov

Event-Inklusionsmanager

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