„In mir drin sind tausende Bomben explodiert“

André Höflich, die deutsche Halfpipe-Hoffnung spricht über Frust und Selbstzweifel – und wie er den Spaß am Sport wiedergefunden hat

Beinahe hätte André Höflich seine Karriere als Sportler beendet, bevor sie überhaupt angefangen hat. Seine vielen Niederlagen frustrierten ihn zu sehr. Vor allem frustrierte ihn, dass ihm der Spaß abhandengekommen war. Ausgerechnet an der Sache, die er so liebte: am Snowboarden. Doch der Spaß ist zurück, der Frust ist weg. Und der Halfpipe-Athlet, der Klaviermusik, Hard Rock und Deutsch-Rap hört, der Flügelhorn spielt und gerne Party feiert, ist erfolgreicher denn je. In Mammoth Mountain (USA) landete der 24-Jährige auf Platz drei, sein zweiter Podiumsplatz. In einem persönlichen Interview spricht der gebürtige Allgäuer darüber, warum die Ergebnisse trotzdem zweitranging sind – zweitrangig sein müssen. Er erzählt vom demolierten Playstation-Controller und von vielen schönsten Tagen im Leben.

André Höflich

Geburtsdatum: 28. April 1997
Wohnort: Berchtesgaden
Verein: SC Kempten
Beruf: Sportsoldat

Erstmals bei Olympia mit dabei: Andre Höflich

Du hast vor Kurzem gesagt, bei Olympia dabei zu sein, reicht Dir. Ist das nicht ein wenig tiefgestapelt?
Nicht unbedingt. Also gut, ein bisschen vielleicht (lacht). Wenn ich schon dort bin, würde ich gerne das Finale erreichen. Aber sollte es nicht klappen, dann ist das halt so.

So easy siehst Du das?
Gezwungenermaßen.

Was meinst Du damit?
Ich hab‘ es mir angeeignet, so zu denken. Früher konnte ich das nicht, dann hat nie was geklappt. Deshalb muss ich es so sehen: Es ist gut, wenn’s hinhaut. Wenn nicht, dann nicht.

Wie hast Du es früher gesehen?
Wenn ich schlecht war, war ich sehr traurig, enttäuscht, frustriert. Und das kam oft vor. Schon als Kind bei den Gokart-Rennen. Ich war immer der Schnellste, hab‘ aber Pylonen umgeworfen – und war am Ende wegen der Strafsekunden Vorletzter. Ich hab’s da schon nicht hinbekommen, einfach zu fahren, Spaß zu haben. Das hat sich aufs Snowboarden übertragen. Lange konnte ich einfach nicht liefern, wenn es darauf ankam.

Du bist Dir selbst im Weg gestanden.
Ja, das war nur hier (er tippt mit seinem Zeigefinger an seinen Kopf). Gekonnt hab‘ ich‘s ja, hinbekommen hab‘ ich’s nur nicht. Das hätte mich fast dazu gebracht, dass ich es sein lass.

Weil Du mit der Niederlage nicht umgehen konntest?
Weil ich mit der 500. Niederlage in Folge nicht mehr umgehen konnte irgendwann.

Wie hast Du‘s gelernt?
Zum einen durch viel Training. Immer wieder hab‘ ich meine Wettkampfläufe geübt. Nochmal und nochmal. Vor drei Jahren hat es in den Contests ein bisschen besser geklappt. Zudem hab‘ ich an meinem Mindset gearbeitet und mich gefragt: Warum mach ich das alles eigentlich?

Welche Antwort hast Du gefunden?
Dass es mir nicht um Erfolge geht. Sondern um die Freude. Ich mach‘s, weil ich es liebe. Das war ein Teil, der mich früher so frustriert hat: Es hat sich nicht mehr angefühlt wie damals, als ich mit meinen Kumpels rumgefahren bin. Dieser Spaß ist zurück.

Und die Ergebnisse spielen echt keine Rolle?
Natürlich, Erfolg ist schön. Was erreichen aber kann ich ihn nur mit dieser Einstellung. Bei einem guten Ergebnis freu ich mich, klopf mir auf die Schulter, weil sich das Training und die vielen vielleicht nicht so lustigen Stunden gelohnt haben. Am meisten aber feier‘ ich, wenn ich mal wieder den schönsten Tag meines Lebens hatte.

Hast Du manchmal Angst davor, dass Dich nach einer Niederlage diese Gedanken von früher wieder einholen?
Ja, manchmal. Gerade vor dem ersten Wettkampf der Saison. Letztes Jahr in Laax war es ganz übel, da ging mir richtig die Düse. Die Quali war die Hölle, weil ich so Angst hatte, dass ich meinen Trick nicht stehe und dann wieder in die alten Verhaltensmuster falle.

Aber Du hast ihn gestanden?
Ja, Gott sei Dank.

Wie waren die alten Verhaltensmuster?
Nach außen hab‘ ich wahrscheinlich sehr ruhig gewirkt. In mir drin sind tausende Bomben explodiert, lodernde Feuer. Es war schon schlimm. Ich fühlte so eine Mischung aus Verzweiflung und … möchte nicht sagen Selbsthass – aber so was in der Richtung.

Wie drückt sich Ärger bei Dir aus?
Wenn keiner bei mir ist, geht’s schon rund (lacht).

Was heißt das?
Da fliegen schon mal kleine Gegenstände, die ich vielleicht nicht herumwerfen sollte. Meinen Playstation-Controller zum Beispiel.

Hat er’s überlebt?
Jein. Er ist etwas demoliert, aber er geht noch.

Wie ist es, wenn Du Dich richtig freust?
Ich gehe genauso wenig offen mit meiner Freude um wie mit meiner Wut. Ich muss mich schon sehr wohl fühlen und die Leute richtig gut kennen, dass ich in der Gegenwart anderer laut werde vor Ärger. Wenn ich mich freue, lache ich natürlich und man sieht mir das an. Aber ich renne nicht in der Welt herum und erzähle jedem davon. Es gibt Menschen, mit denen teile ich das gerne. Mit meinen Freunden und meiner Familie. Aber nicht mit jedem.

Bist Du gerne allein?
Im Team ziehe ich mich schon auch mal zurück. Das hat nichts mit den Leuten zu tun, die sind alle richtig cool. Das liegt an mir. Das heißt nicht, dass ich nicht gerne feiern gehe mit den Kumpels, klar. Vielleicht sollte ich das als Sportler ein bisschen weniger machen. (lacht). Vielleicht sollte ich auch mehr auf meine Ernährung achten. Und sollte dies und sollte das. Aber hey, ich will doch auch leben und Quatsch machen…

Und jetzt dann Olympia genießen.
Voll. Und heute kann ich sagen: Dass ich da mitfahren kann, damit hab‘ ich schon alles gewonnen.

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