„Ich bin so ein Kopfmensch – das nervt mich selbst“

Carolin Langenhorst im Interview: Wenn die Gedanken mit der Race-Athletin durchgehen, beschimpft sie sich manchmal selbst

Wahrscheinlich wäre Carolin Langenhorst Schwimmerin geworden. Darüber ist man sich in der Familie einig. Doch dann zog sie von Hamm nach Berchtesgaden. Das Mädchen war da gerade zwei Jahre alt – und ging öfter auf die Pisten statt ins Schwimmbad. Irgendwann landete sie auf dem Snowboard. Weil ihr Bruder auch Snowboard fuhr und die kleine Schwester eben alles machen wollte, was der eineinhalb Jahre älterer Bruder machte. Glücklicherweise. Heute gehört Carolin Langenhorst zum deutschen Race-Team. Für Olympia in Peking hat sie sich gleich zu Beginn der Saison mit ihrem dritten Platz beim Parallel-Riesenslalom im russischen Bannoye qualifiziert. Im Interview spricht die 25-Jährige über Ziele, die sie sich eigentlich nicht stecken will und Gedanken, die sie sich eigentlich nicht machen möchte.

Carolin Langenhorst

Geburtsdatum: 3. Februar 1996
Wohnort: München
Verein: WSV Bischofswiesen
Beruf: Sportsoldatin, Studentin (Erziehungswissenschaften)

Für Carolin Langenhorst werden die Olympischen Spiele in Peking die zweiten ihrer Karriere

Caro, Du machst vor jedem Start ein Kreuzzeichen. Bist Du sehr gläubig?
Das kommt darauf an, wie man es definiert. Ich glaube an Gott. Aber in die Kirche gehe ich nur an Weihnachten und Ostern. Das Kreuzzeichen kommt mehr von meiner Oma, sie ist sehr gläubig, da hat sich das bei mir so eingeschlichen. Es gehört zu meinem Renn-Ritual.

Wie sieht das aus?
Wenn noch sechs Läuferinnen vor mir stehen, gehe ich an den Start. Drei Läuferinnen vor mir mach ich die Schnallen zu. Dann noch das Kreuzzeichen.

In dieser Saison hat Dir das Deinen dritten Weltcup-Podiumsplatz eingebracht. Ist das Podium auch Dein Ziel für Olympia?
Ich setze mir ungern Ziele, das verursacht für mich Stress.

Fährst Du einfach hin und sagst: Schaun wir mal?
Ganz so ist es auch nicht. Ich sag‘ mir: 2018 bin ich Neunte geworden, bin in der ersten Runde knapp ausgeschieden. Ich will besser sein als vor vier Jahren. Also Top acht auf jeden Fall. Und alles, was weiter nach vorne geht, freut mich.

Bist Du echt so entspannt?
Naja… Ich wirke in der Regel nicht so lässig. Weil ich so ein Planer, so ein Kopfmensch bin. Das nervt mich selbst. Deshalb hab‘ ich daran vor allem im letzten Jahr hart gearbeitet.

Was genau nervt Dich?
Im Sport mach ich mir einfach so viele Gedanken. Ich denke alles durch. Bedingungen, Position. Was passiert, wenn… ? Wenn ich da gewinne, bin ich in der Runde, dann kommt dies und das. Und so weiter.

Ein Szenarien-Mensch.
Genau. Ich spiel alles schnell im Kopf durch.

Dass Du einfach mal den Kopf ausschaltest und drauflosfährst…
… das gibt es eigentlich nicht.

Und das kannst Du an Dir nicht leiden?
Ich würde schon gerne etwas weniger denken. Das hat mir bislang auch jeder Trainer gesagt. Manchmal beschimpf ich mich selbst. Und sag: Caro, jetzt reicht’s. Hör auf damit.

Hörst Du auf Dich?
Ab und zu (lacht). Es hilft, wenn ich meine Gedanken gezielt auf etwas anderes lenke. Auf das Körpergefühl, das Anspannen der Muskeln, das Atmen. Mein Trainer meinte: Der Caro müssen wir nen Schnaps vor dem Rennen geben. Aber das geht ja leider nicht. Das würde sicher was nützen (lacht). Mein Studium (Erziehungswissenschaften, Caro will Lehrerin werden, gerne Mathe und Sport oder Grundschule, Anm. d. Red.) ist mir da auch wichtig.

Was hat das damit zu tun?
Bei meiner ganzen Grübelei ist es gut, wenn ich ein paar Gedanken ans Studium abgeben kann – damit ich nicht 24/7 beim Snowboarden bin und zu verbissen werde.

Und inwiefern bist Du eine Planerin?
Das merkt man auch im Alltag. Alles ist im Kopf geplant. Was ich kochen will, was ich einkaufe – zack, zack, zack. Oder wenn ich mit Freunden weggehe, hab‘ ich im Kopf, wann zum Beispiel die letzte U-Bahn fährt.

Übernimmst Du auch im Team die Rolle der Planerin?
Nein, gar nicht. Ich glaube nicht, dass wir überhaupt unsere festen Rollen haben. Früher war halt Selina die Mutti im Team (lacht). Das ergab sich automatisch durch ihr Alter (Selina Jörg beendete nach der Saison 2020/21 ihre Karriere mit 33 Jahren, Anm. d. Red). Aber es gibt nicht eine den Ton an und alle anderen laufen hinterher. Das harmoniert, jeder sagt mal was.

Mit Selina und Ramona waren zwei der weltbesten Alpinfahrerinnen mit Dir im Team. Wie funktioniert das mit der Konkurrenz im eigenen Lager?
Das hat natürlich Vorteile. Wenn Du schon im Training gegen die Besten fahren kannst, bringt Dich das weiter. Du weißt, wo Du stehst, ich kann jetzt ja auch von Ramona lernen und profitieren (Ramona Hofmeister gilt als Mit-Favoritin auf den Gesamtweltcup, Anm. d. Red.). Aber interne Konkurrenz kann auch anstrengend werden.

Wie meinst Du das?
Wir waren immer zu viele im Team für die WM- und Olympiastartplätze. Vor den Spielen 2018 zum Beispiel waren wir sieben Mädels, vier durften nach Pyeongchang. Das ist dann nicht mehr so förderlich. Jeder versucht, seinen Weg zu machen, sich durchzusetzen.

Das klingt nicht unbedingt nach guter Stimmung im Team.
Nein, nein, das wollte ich nicht damit sagen. Wir haben uns immer gut verstanden. Aber man hat eine gewisse Spannung gemerkt. Wer ist besser? Wer hat sich schon qualifiziert? Das ist jetzt entspannter, da wir nur noch drei Mädels sind. Aber wir waren immer ein cooles Team. Und sind es jetzt auch. Nur eben kleiner.

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