20 Jahre ist Leilani Ettel jung. 20? Wirklich? Wer sich mit ihr über ihren Sport unterhält, muss sich selbst immer wieder daran erinnern. Denn Vieles ist anders, als man das bei 20-Jährigen erwartet. Das Unvernünftige fehlt, das „Schauen wir mal“, das Easy Going. Für Leilani „Lani“ Ettel – ihr Name bedeutet „himmlische Blume“ – zählen nur 100 Prozent. Immer. Diese junge Frau ordnet alles dem Sport unter, ohne, dass es sich für sie wie ein Unterordnen anfühlt. Weil sie ihre Leidenschaft lebt: das Snowboarden in der Halfpipe. Ab und zu wäre sie gerne etwas gelassener – und muss sich selbst stets daran erinnern, dass das vielleicht nicht schaden würde. Denn zugleich hängt sie an ihrem Perfektionismus.
Geburtsdatum: 5. juli 2001
Wohnort: München
Verein: SV Pullach
Disziplin: Halfpipe
Abitur mit einem Schnitt von 1,5. Top im Skaten, Surfen und Snowboarden. Und Gitarre spielst Du auch noch. Leilani, gehörst Du zu diesen Glückskindern, denen alles zufliegt?
Also ich weiß nicht, wie es von außen aussieht. Aber ich hab‘ zum Beispiel in der Schule SO VIEL für dieses Abi getan. Weil ich nicht zurückblicken will und dann sagen muss: Ich WEISS, ich hätte es besser machen können.
Das gilt vermutlich auch für Deinen Sport?
Natürlich. Ich versuche, alles zu geben. Damit ich die optimalen Bedingungen hab‘, um gute Wettkämpfe abzuliefern. Um meine Tricks zu stehen, die ich machen möchte.
Halten wir also fest: Dir fliegt nicht alles zu?
Ich find‘s ja toll, wenn man das meint. Ein gewisses Talent ist cool zu haben, aber ich stecke schon alles an Arbeit rein. Ich bin ein mega Perfektionist.
Stresst Du Dich selbst?
Ja.
Wie wirkt sich das aus?
Ich hab‘ immer extrem hohe Erwartungen an mich, bin sehr streng zu mir. Da sagen auch meine Coaches oft: ,Hey Lani, alles gut, hab‘ einfach einen guten Tag.‘ Aber so ein Perfektionismus bringt einen ja auch vorwärts.
Das ist also nichts, was Du gerne an Dir ändern würdest?
Ein bisschen entspannter wäre ich schon gerne. Manchmal bin ich vielleicht echt zu…
… verbissen?
Nein, nein, ich meine es nicht so negativ. Ich hab‘ einfach IMMER extrem hohe Erwartungen, will IMMER 100 Prozent geben. Nur manchmal geht’s halt nicht.
Glaubst Du, es würde manchmal besser laufen, wenn Du entspannter wärst?
Das weiß ich nicht. Man muss es auch so sehen: Mein Verhalten bringt mich dazu, mich mal durchzukämpfen durch einen schweren Tag und daraus einen guten zu machen, weil ich mir in der Früh sag‘: Ne, ich lass den nicht so enden. An Top-Sportlern sieht man ja: Wenn man in einer Sache wirklich durchstarten will, muss man alles reinstecken, was man hat.
Hast Du Vorbilder?
Nicht das eine. Ich höre oft Podcasts mit Sportlern und schaue mir Dokumentationen an. Die über Michael Jordan hat mich fasziniert. Daraus will ich lernen. Zum Beispiel erkennt man an all diesen Geschichten: Man muss vor allem mental fit werden. Auch ich hab‘ gemerkt: 90 Prozent im Sport passieren im Kopf. Da muss man die richtige Einstellung trainieren.
Wie?
Schwer zu sagen. Dazu hab‘ ich Bücher gelesen, es gibt mental games. Wie man sich auf sich fokussiert, alles andere ausblendet. Das ganze Flow-State-Thema. Wie man da reinkommt, damit der Kopf erlaubt, alles abzurufen. Denn der Körper weiß, wie es geht.
Gelingt Dir das?
Nicht immer. Aber letztes Jahr bei den Laax Open (Leilani wurde Fünfte, Anm. d. Red.). Bei meinem Run war ich weg. Alles hat sich so weich und leicht angefühlt. Da waren nur ich und die Halfpipe. Unten hab‘ ich mich gefragt: Was hab‘ ich da gerade gemacht? Plötzlich kamen das Adrenalin, Herzrasen, die Nervosität.
Bist Du am Start nicht nervös?
Ich bin immer nervös.
So sehr, dass es Dich behindert?
Donald Glover (US-amerikanischer Schauspieler und Musiker, Anm. d. Red.) hat mal gesagt: If it makes you nervous, you’re doing it right – Wenn es Dich nervös macht, machst Du es richtig. Ich habe überlegt, mir den Spruch zu tätowieren, weil ich ihn so gut finde.
Warum genau?
Er trifft’s einfach perfekt. Man muss immer aus seiner Komfortzone raus, dann macht man einen Schritt weiter.
In dieser Saison sogar zu bis Peking zu den Olympischen Spielen.
Oh mein Gott, Olympia. Daran denke ich oft. Aber das Wichtigste ist, dass ich alles Schritt für Schritt angehe. Ich fahre Snowboard, weil ich das liebe. Alles andere kommt dann schon.
Redest Du Dir dieses entspannte Denken ein?
(lacht) Ich sag mir das an jedem Tag, in jedem Training.
Wie kommt’s, dass Du überhaupt Snowboarderin geworden bist? Auch im Surfen hättest Du eine professionelle Laufbahn einlegen können.
Mit unseren Eltern waren wir oft beim Surfen in Kalifornien. Ich hab‘ Wettkämpfe mitgemacht. Aber irgendwie hat sich das mit dem Boarden mehr entwickelt. Das war’s, was ich machen wollte