„Nie bereut, dass ich weitergemacht habe“

Boardercrosser Martin Nörl über Gedanken ans Karriereende, langsame Autofahrten und unnötige soziale Medien

Nach den Winterspielen in Pyeongchang 2018 hat sich Martin Nörl sein Tattoo stechen lassen: die fünf Olympischen Ringe, die Zahl acht für seinen achten Platz, SBX für Boadercross. Das Ganze kunstvoll gestaltet auf der Innenseite seines Oberarms. Zu dieser Zeit stand er kurz vor dem Karriereende. Ihm fehlten Perspektiven, die Motivation auch. Nun steht er vor seiner zweiten Teilnahme bei Olympischen Spielen. Gleich im ersten Rennen qualifizierte sich der 28-Jährige für Peking mit einem siebten Platz auf der Olympiastrecke in Secret Garden (China). Sein Minimalziel der Saison hat er damit erreicht. Er, der ungern über Ziele philosophiert und lieber Platzierungen für sich sprechen lässt. Ein Mann der großen Worte ist Nörl ohnehin nicht. Selbstvermarktung – nicht sein Ding. Im Interview erzählt er, warum er auf manche soziale Medien verzichtet, warum er als Autofahrer für Belustigung sorgt und wie seine Kinder (3 und 1) sein Leben als Sportler beeinflussen.

Martin Nörl

Geburtsdatum: 12. August 1993
Wohnort: Sonthofen
Verein: DJK-SV Adlkofen
Disziplin: Snowboardcross
Beruf: Sportsoldat

Martin Nörl gehört in Peking zu den Medaillenkandidaten

Martin, auf Instagram sucht man Dich vergeblich. Warum nutzt Du die Plattform nicht?
Irgendwie hab‘ ich das verpasst. Und ich glaub‘, man muss es auch nicht haben.

Du könntest Dich darüber vermarkten.
Klar, dafür macht Instagram Sinn. Aber dann muss man’s gescheit machen, professionell. Und viel Arbeit reinstecken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir was bringt, wenn ich 2000 Follower hab‘.

Und einfach zum Spaß an der Freude?
Mir gibt das nichts. Generell ist Selbstvermarktung nicht so meins. Ich bin nicht der Typ, der zu einer Firma geht und erzählt, wie toll ich bin. Ich mag’s schon nicht, wenn man auf eine Sache reduziert wird nach dem Motto: Du bist Sportler – und das war’s.

Du bist zum Beispiel auch Familienvater. Deine Kinder sind drei Jahre und ein Jahr alt. Das bedeutet Verantwortung. Spürst Du einen anderen Druck als andere in Deinem Team?
Wir haben ja zum Glück die Bundeswehr und damit ein Grundeinkommen, von dem wir leben können. Auf das Preisgeld sind wir darum nicht angewiesen. Andere Fragen aber stellen sich schon.

Welche?
Man ist viel unterwegs. So larifari macht man das alles sicher nicht, dann könnte man zu Hause bei der Familie bleiben. Auch über die Zeit nach dem Sport macht man sich als Papa vielleicht intensiver Gedanken. Man weiß: Ich muss das dann stemmen.

Hast Du schon einen Plan?
Es gibt verschiedene Pläne.

Mehr verrätst Du nicht?
Nein. Ich habe einen Vertrag bis 2023, dann schauen wir weiter. Danach unterstützt uns die Bundeswehr weitere fünf Jahre, in denen wir eine Aus- oder Weiterbildung machen können.

Nach Olympia 2018 wolltest Du aufhören. Warum genau?
Mein erstes Kind kam, da überlegst Du. Zudem hat mir die Perspektive gefehlt. Mit meinem achten Platz konnte ich zufrieden sein. Doch mir war wichtig, dass ich vier Jahre später am Start sagen kann: Ich bin besser als damals. Auch fand ich, dass sich in der Mannschaft etwas entwickeln muss. Viele Gespräche mit Andi (Andreas Scheid, Sportdirektor bei Snowboard Germany, Anm. d. Red.) haben den Ausschlag gegeben, dass ich weitermache.

Hat sich erfüllt, was Du Dir damals gewünscht hast?
Ich glaube, wir haben einen guten Weg gefunden. Wir stehen anders da als vor vier Jahren und haben höhere Chancen, gute Ergebnisse einzufahren. Ich hab‘ jedenfalls nie bereut, dass ich weitergemacht hab‘.

Zu Schülerzeiten bist Du Race und Boardercross gefahren. Warum hast Du Dich für Boardercross entschieden?
Es war mir einfach lieber. Mann gegen Mann, in einem Kurs, das ist schon actiongeladener.

Suchst Du auch privat die Action? Zum Beispiel auf der Straße? Ski-Abfahrern sagt man ja nach, dass sie immer mit Vollgas unterwegs sind.
(lacht) Ich fahr‘ ganz langsam. Die anderen lachen mich immer aus. Aber ich halte mich einfach gerne an die Regeln.

Wie schnell fährst Du auf der Autobahn?
So maximal 140 km/h. Da geht’s auch um Spritkosten. Wenn ich schneller fahr, steigen die ja ordentlich. Und es reicht doch, wenn ich im Rennen Vollgas geb‘.

Das könnte ja in Peking zu einer Medaille führen, oder?
Wir werden sehen. Im Boardercross kann immer alles passieren. Entscheidend war für mich damals, dass sich meine Ausgangslage verbessert. Das gilt für das ganze Team. Da hat sich einiges getan. Vor vier Jahren stand im Top-Team kein Boardercrosser, jetzt sind wir mindestens zu zweit. Bei der Weltmeisterschaft sind wir Fünfter und Sechster geworden.

In den Medien hat Euer Sport dennoch wenig Aufmerksamkeit.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat letztes Jahr nicht einmal unsere WM gezeigt. In der ARD gab es eine Übertragung vom Boardercross Teamrace, bei dem wir wegen einer Verletzung nicht gestartet sind. „Wenig“ würde ich also nicht sagen. Es ist gar nichts.

Was kann man dagegen tun?
Erfolgreich sein.

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