Das letzte Rennen der Saison, 31. März 2021. Paul Berg stürzt. Das linke Sprungbein ist gebrochen, der rechte Mittelfuß ebenfalls. Er weiß, was es heißt, verletzt zu sein. Doch so schlimm war es noch nie. Im Sommer kämpft sich der 30-Jährige zurück. Mit Humor und einer gewissen Gelassenheit des Alters. Den ersten Weltcup der Saison auf den olympischen Strecken von Secret Garden muss er noch auslassen. Trotzdem macht sich Berg keinen Stress, bleibt ruhig – und fährt plötzlich wieder ganz vorne mit. Im Interview spricht er über seine Zukunftspläne, die Neugierde auf das Leben und die Sendung mit der Maus.
Geburtsdatum: 26. September 1991
Wohnort: Sonthofen
Verein: SC Konstanz
Disziplin: Snowboardcross
Beruf: Sportsoldat
Paul, die Olympiaqualifikation hast Du eingetütet. Mit Platz vier in Krasnojarsk warst Du sogar schon einmal ganz nahe am Podest dran. Mit diesem Auftritt hat ja wohl niemand gerechnet.
Ich am allerwenigsten. Die guten Ergebnisse, die Quali gleich zu schaffen… Die Quali ÜBERHAUPT zu schaffen, das ist der Hammer.
Wie ist Deine Vorbereitung gelaufen, wenn man überhaupt von einer Vorbereitung reden kann?
Ach Du, ich hab‘ mal was ganz Neues ausprobiert: Rollstuhl fahren, laufen lernen und möglichst wenig Schneetage. Und wie Du siehst: Es klappt (lacht).
Denkst Du denn schon ans Aufhören?
Also ich gehe nicht davon aus, dass ich bis zu den nächsten Olympischen Spielen in vier Jahren weitermache. Außer mein Körper nimmt eine super Entwicklung.
Aber Du sagst nicht: Das wird meine letzte Saison.
Nein, noch weiß ich ja nicht einmal, ob ich diese Saison mit meiner Verletzung komplett bestreiten kann. So aufzuhören, fände ich schade. Zwei Jahre, denke ich, mach ich schon noch. Wenn’s Megaspaß macht und super läuft, vielleicht noch ein drittes. Ich hoffe ja, dass unsere Nachwuchsathleten bald so stark sind, dass es heißt: Hey, Du bist leider nicht mehr gut genug, Zeit abzutreten (lacht). Dann wird mir die Entscheidung abgenommen.
Was kommt danach?
Ich studiere Grundschullehramt. Irgendwann werde ich also kleine Kinder triezen.
Und bis dahin ärgerst Du Deinen eigenen Sohn Hennig?
Ja genau (lacht). Da üb‘ ich (Paul Berg ist im Februar 2022 Papa geworden, Anm. d. Red.).
Durch Deine Verletzung hast Du zumindest viel Zeit mit ihm verbracht.
Nur helfen konnte ich im Rollstuhl halt nicht, was natürlich eher das Problem meiner Freundin (die ehemalige Bobanschieberin Lisette Thöne, Anm. d. Red.) war. Aber Wahnsinn, wie schnell sich Kinder in dem Alter entwickeln. Und cool, das voll mitzubekommen, ich war ja quasi sechs Monate am Stück zu Hause. Wegfahren fällt mir jetzt schwerer als früher.
Hat es Dich zuletzt mal schockiert, wie viel sich nach nur ein paar Tagen verändert hat?
Das nicht, wir bleiben ja übers Videotelefonieren in Kontakt. Aber das hat er noch nicht so raus. Er spielt mehr mit dem Handy, als dass er sich auf mich konzentriert.
Apropos auf Dich konzentrieren: Du hast da ein interessantes Ritual vor dem Start…
(lacht) Ich hätte das nicht erzählen sollen. Also ja: Ich erschrecke mich immer selbst.
Wie soll das funktionieren?
Genauer gesagt versuche ich, mir meine Reaktion vorzustellen, als ob mich jemand erschrecken würde.
Warum machst Du das?
Anstatt hochzufahren, werde ich manchmal durch den Druck und die Anspannung ein wenig passiv, lethargisch. Man lässt das alles so geschehen. Das Erschrecken ist wie ein Signal an meinen Körper: Hey, jetzt geht’s los.
Gibt’s weitere amüsante Rituale?
Amüsant ist es nicht. Aber ich schaue jeden Sonntag die Sendung mit der Maus an.
Warum gefällt Dir die so?
Ich finde, die lässt einen die Neugierde aufs Leben behalten. Christoph (Moderator Christoph Biemann, Anm. d. Red.) ist ja mittlerweile schon ein bisschen runzlig im Gesicht. Aber in seinem komischen grünen Pulli überträgt er auf mich genau diese Neugierde, die ich mir auch bewahren möchte.
Hast Du sie denn?
Ich denke schon.
Wie wirkt sich die aus?
Unter anderem wohl auch in der Wahl der Sportart. Snowboardcross ist sehr vielseitig. Davor hab‘ ich viel ausprobiert. Ich probier‘ gerne was aus.
Was war dabei?
Judo, Volleyball, Fußball, ich bin viel geritten. Und Ballett hab‘ ich gemacht.
Ballett?
Ja, drei, vier Jahre lang, bis ich 14 Jahre alt war. Und ich glaube, dass das meine Snowboardkarriere, mein Körper- und Rhythmusgefühl, gefördert hat.
Kannst Du’s noch?
Die Positionen bekomm ich bestimmt noch hin von erster bis sechster. Ich weiß nur nicht, ob es noch so elegant aussieht… Naja, wahrscheinlich nicht.