Wenig hat funktioniert bei Stefan Baumeister in der vergangenen Saison. Ein paar Dinge hatte er ausprobiert, die gingen in die Hose. Also besinnt er sich in diesem Winter auf alte Routinen. Gute Entscheidung. Gleich im ersten Rennen im russischen Bannoye fuhr der Racer im Parallel-Riesenslalom auf Rang zwei. Eine Woche später holte Stefan „Bob“ Baumeister im Parallel-Riesenslalom in Carezza (Italien) den vierten Weltcup-Sieg seiner Karriere. Im Interview spricht der 28-Jährige über Pläne und Planlosigkeit, über Rituale und Experimente, über äußerliche Ruhe und innerliches Tohuwabohu.
Geburtsdatum: 18. April 1993
Wohnort: Feldkirchen-Westerham
Verein: SC Aising Pang
Disziplin: Parallel Riesenslalom
Beruf: Berufssoldat
Stefan, im vergangenen Winter ist es nicht so gut gelaufen. Was hast Du daraus gelernt?
Viel, denke ich. Ich mach in dieser Saison einiges anders. Beziehungsweise eben nicht.
Wie meinst Du das?
Im vergangenen Jahr hab‘ ich viel Neues ausprobiert.
Was denn?
Zum Beispiel hatte ich früher vor dem Start immer Rituale. Da hab‘ ich genau gewusst, wann ich den Kurs anschau, wann ich das Rennen im Kopf durchgeh, wann ich mich warm mach. Alles nach einem festen Rhythmus. Dazu gehören Kleinigkeiten. Zum Beispiel steig ich mit dem linken Schuh zuerst in die Bindung. Nicht, weil ich glaube, es bringt mir Glück, sondern, weil es zum Ablauf gehört. Ich glaube, das tut gut, weil man sich daran festhalten kann.
Auf all das hast Du im vergangenen Jahr verzichtet?
Da hab‘ ich mir irgendwie gedacht, ich nehm‘ einfach jedes Rennen, wie es kommt. Mal so, mal so. Im Nachhinein muss man sagen, das Experiment hat nicht so gut funktioniert.
Und an den fehlenden Ritualen lag’s, dass es nicht so gelaufen ist?
Nein, nein. Da gab es verschiedene Baustellen. Mir hat auch das Gefühl auf dem Snowboard gefehlt, mit dem Material hatte ich auch so meine Schwierigkeiten. Dann kommst du in eine Spirale nach unten. Zudem hatte ich irgendwie kein festes Ziel. Zuvor habe ich im Herbst genau gewusst, was ich im Winter vorhabe. Letzte Saison hab‘ ich das nicht so definiert.
Welche Ziele hast Du für diesen Winter festgelegt?
Es gab verschiedene Etappen. Bis zum Frühjahr wollte ich meine schlechte Position in den Schuhen hinbekommen und das richtige Set-Up finden. Im Sommer hab‘ ich aufgeschrieben, welches Gewicht ich im Herbst erreichen will. Denn vergangenes Jahr war ich ein bisschen leichter als zuvor. Dann passen das Board und seine Härte nicht mehr zu mir. Hinzu kamen technische Ziele. Für den Winter: Ich wollte einmal vor Olympia aufs Podium fahren.
Bislang hast Du ja alles erfüllt, oder?
Ja, alles erledigt.
Dann kannst Du jetzt das Ziel Olympiamedaille angehen.
Im Hinterkopf hab‘ ich schon, dass ich in China aufs Podium fahren könnte. Vielleicht.
Wenn es Dir gelingt: Wird man Dich dann mal so richtig ausflippen sehen?
(lacht) Mal sehen… Ich bin ja wirklich eher der ruhigere Typ. Egal, ob ich gewinne oder verliere: Von außen sieht man da nicht so große Unterschiede. Aber innen…
Wie sieht es da aus?
Da geht’s rund (lacht)
Wie gehst Du mit Niederlagen um?
Wenn ich schlecht gefahren bin, möchte ich so schnell wie möglich das nächste Rennen fahren. Das mag ich gar nicht, wenn ich dann drei Wochen auf einen Start warten muss.
Warum nicht?
Weil ich das schlechte Erlebnis so schnell wie möglich auslöschen möchte.
Und wenn Du gewinnst?
Dann brauche ich eher ein wenig Ruhe, will das lieber verarbeiten, genießen. Wenn Du vorne landest, ist der Tag zudem lang und anstrengend. Ein bisschen Pause tut da gut.
Hast Du schon als Kind davon geträumt, dass Du einmal Snowboard-Profi wirst?
Überhaupt nicht.
Was wolltest Du stattdessen machen?
Keine Ahnung, das hab‘ ich mir nicht überlegt. Was kommt, das kommt.
Du hast also nie einen Masterplan für Dein Leben und Deine Karriere erstellt?
Gar nicht. Irgendwann hab‘ ich mit dem Boarden angefangen. Dann hat mich mein Freund gefragt, ob ich mal ins Training mitkomm‘. Also bin ich mal mitgegangen. Dann ging es darum, ob wir zwei aufs Internat nach Berchtesgaden gehen sollen. Also sind wir halt aufs Internat gegangen. Dann die Frage, ob wir zur Bundeswehr gehen sollen – haben wir halt das gemacht. Alles hat sich irgendwie so ergeben. Aber ich lauf jetzt nicht total planlos rum.
Wofür im Leben hast Du Dir einen Plan überlegt?
Zum Beispiel hab‘ ich schon eine Idee, was ich nach dem Boarden machen möchte, auch wenn ich das nicht verrate.
Du hast eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht.
Stimmt, aber ich werde sicher nicht im Büro sitzen.
Hast Du denn schon einen Termin für ein Karriereende im Kopf?
Das dauert schon noch. 2026 möchte ich auf jeden Fall noch fahren. Aber jetzt fliegen wir erst einmal nach Peking.